Warum bin ich nicht mit dem ganzen Wissen schon auf die Welt gekommen? So fragt ein verzweifelter kleiner Junge, dem die Hausaufgabe zu lange dauern, zu anstrengend sind und der aus dem Brustton der Überzeugung sagt: ich hab halt keine Geduld.
Geduld ist etwas, was ich bei meinen Schülerinnen und Schülern immer wieder merke, dass es fehlt. Nun bin ich selbst nicht der geduldigste, doch es ist mit den Jahren besser geworden. Ich bin ruhiger geworden. Ich mache die Dinge nacheinander. Doch den Spruch „Herr schenk mir Geduld aber zack zack“ kann ich gut nachvollziehen.
In Ungeduld steckt gleichzeitig etwas dynamisches. Vorfreude ist manchmal mit Ungeduld gepaart. Wir können es kaum erwarten, bis der schöne Moment endlich da ist. Ich freue mich zum Beispiel auf den Skiurlaub nach Weihnachten und kann es kaum erwarten, nach vielen Jahren endlich mal wieder auf der Piste zu stehen. Doch bis dahin ist noch viel Arbeit und es vergehen noch 10 Wochen. Wenn ich keine Karten für den Fußballschlager der Bundesliga bekommen habe und hoffen muss, dass ich vlt. kurzfristig doch noch welche bekomme, dann ist Geduld zermürbend. Es ist keine selbstgewählte Geduld. Wenn ich hingegen noch etwas abwarte, ob ich das teure Stück Technik wirklich kaufen soll, dann ist es eine selbstgewählte, mit der ich sicher gehen will. Das ist dann etwas einfacher, meiner Erfahrung nach, als wenn ich dem Ganzen ausgeliefert bin.
Ich habe mir den Jahren gemerkt, es tut gut, einen Schritt zurück zu treten. Manchmal merke ich dabei, dass ich etwas vielleicht doch nicht so sehr will, wie ich mir das vorgestellt habe. Manchmal merke ich, dass ich etwas noch viel mehr will, als ich es mir vorgestellt habe. Ungeduld ist nichts per se negatives und Geduld ist nichts per se Gutes. Erst in der Auswirkung wird es gut oder schlecht, dient oder schadet mir.
Ich lasse meine Schülerinnen und Schüler gerne einen 5-Minuten-Test machen, wenn ich die Klasse neu habe. Dabei stellt sich bei 20 Fragen erst mit dem Lesen der letzten Frage heraus, dass sie nur die ersten beiden Aufgaben erledigen sollen. Vorher müssen sie natürlich die Geduld haben und dem Drang widerstehen, eine Frage zu lesen und sie gleich zu beantworten. Wer Geduld in den richtigen Momenten hat, der spart sich also manchmal Arbeit.
Im Predigttext für Sonntag findet sich folgender Satz: Macht den bestmöglichen Gebrauch von eurer Zeit, gerade weil wir in einer schlimmen Zeit leben. Auch das hat mit Geduld zu tun. An diesen Zeiten kann man verzweifeln. Ein Krieg, der immer weiter eskaliert und kein Ende findet. Menschen, die auf der Flucht sind und bei uns Schutz suchen. Energiepreise, die sich immer weniger Deutsche leisten können und Angst vor dem Winter schüren.
Wir wollen alle, dass diese Zeiten so schnell wie möglich vorbei gehen. Doch wir brauchen Geduld, damit wir an diesen Zeiten nicht verzweifeln. Vielleicht hilft es, wie der kleine Junge vom Anfang, einfach mal mit dem Schicksal zu hadern. Es reinigt auf jeden Fall Gemüt und Seele. Und dann widerstehen wir dem Drang leichter, so schnell wie möglich alles abarbeiten zu wollen oder so schnell wie möglich Dinge ändern zu wollen, auf die wir gar keinen Einfluss haben, die wir einfach aushalten müssen.
Deshalb: habts Zuversicht, Geduld und bleibts gsund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.