Als ich in Heidelberg studiert habe, habe ich bei Michael Welker viele kluge Dinge gehört. Mich hat damals beeindruckt, dass er ein Professor mit einem weiten Blick war. In meiner Wahrnehmung einer der wenigen. Er hatte Kontakte an die renommierte US-Universität Princeton, wo er als Gastprofessor ab und an Seminarre und Vorlesungen gehalten hat. Er hat Physiker wie Polkinghorne in sein Denken einbezogen. Und er hat damals einen Satz gesagt, den ich nie vergessen habe: Paradigmenwechsel macht man nicht, Paradigmenwechsel ereignen sich.
Er hat das in einer Zeit gesagt, in der viele gefordert haben, dass es einen Paradigmenwechsel braucht.
Ein Paradigmenwechsel ist kurz gesagt eine wichtige Änderung, die eintritt, wenn die übliche Art, über etwas nachzudenken oder etwas zu tun, durch eine neue und andere Art ersetzt wird. Man könnte auch sagen, ein Paradigmenwechsel ist ein Umbruch. Doch ein Paradigma ist etwas sehr viel grundsätzlicheres, so dass ein Paradigmenwechsel auch ein gravierender Umbruch ist. Beispielsweise der Umstieg von Verbrennermotoren auf E-Mobilität.
Mich hat das damals schon beeindruckt, weil mir einfache Lösungen immer zuwider waren. Einfachen Lösungen fehlt es an Nachhaltigkeit. Sie befriedigen eine kurze Zeit, doch sie überdauern die nächste Krise schon nicht. Politisch wäre das für mich vergleichbar damit, dass die AfD an die Regierung kommt. Das mag auf den ersten Blick einfach sein, doch es wird kein nachhaltiger Wechsel sein. Einfach weil die AfD keine Lösungen anzubieten hat für die großen Krisen, die wir durchleben. Die werden wir nur mit gemeinsamen Anstrengungen bewältigen und nicht mit markigen Worten, die ein Ziel haben: zurück zum Bewährten, das heute nicht mehr funktioniert. Denn das Rad lässt sich eben nicht zurückdrehen.
Ich finde diesen Gedanken in der gesamten Bibel. Die Bibel ist durchzogen von Umbrüchen und Paradigmenwechseln. Das ist schon allein deshalb der Fall, weil sie die Geschichte Gottes mit den Menschen über mehrere 1000 Jahre erzählt. Da verändert sich natürlich alles und das auch radikal.
Auf unser Leben heruntergebrochen muss das gar nicht so radikal sein. Da reicht ein einfacher Umzug. In so einem stecke ich grade. Da wird alles verpackt und ich frage mich oft genug: habe ich diesen Ordner schon verpackt, wo das Dokument drin ist? Das ist anstrengend.
Und wenn schon das anstrengend ist, dann sind die anderen Umbrüche erst recht anstrengend. Die Kirchlichen, die gesellschaftlichen…ob es Paradigmenwechsel sind, sieht man immer erst im Nachhinein. Was ich spüre ist das Anstrengende. Nichts ist mehr sicher. Vielen fehlt der Plan. Da bin ich froh, wenigstens in meinem Leben überschaubare Horizonte zu haben. Ich habe die Dinge ganz gut in der Hand. Auch nicht alle und immer. Während ich das schreibe zum Beispiel suche ich grade die vierte Schildkröte, die sich im Gegensatz zu den anderen (wahrscheinlich wieder mal) irgendwo im Gehege eingegraben hat, wo ich sie erstmal nicht vermute. Doch die Zeit drückt.
Das ist eine Kleinigkeit. Ich bin mir sicher, wir finden alle solche Beispiele, auch gravierendere in unserem Leben. Was mit Mut macht ist die Tatsache, dass damals im Studium wie auch heute Gott mitgeht. Dieser Gott, der erst am Samstag einem kleinen Mädchen bei der Taufe zugesagt hat, dass er seine Engel senden wird, damit sie sie beschützen auf allen ihren Wegen. Weil ich das weiß, gehe ich mit Mut und Zuversicht in die Zukunft. Sicher nicht immer, aber die Grundstimmung ist zuversichtliche Hoffnung.
Für diese Woche wünsche ich euch: habts Zuversicht und bleibts gsund. Nur diese Woche. Für die Kommenden sorgen wir später.