Impuls für die Woche 26.06.2024

Ich habe mich heute bei der Vorbereitung an ein Buch erinnert, das mir im Studium untergekommen ist. Es heißt Gottesvergiftung von Tilmann Moser. Als ich Theologie studiert habe, ist mir wie vielen ein Buch über den Weg gelaufen, das ich allerdings im Gegensatz zu vielen schrecklich fand. Es war das Buch „Gottesvergiftung“ des Psychologen Tillmann Moser. Es rechnet ab mit dem Gott, vor dem man sich fürchten muss, dem Gott, der alles sieht, dem Gott als höchstes Strafgericht. Es ist ein biographisches Buch. Tillmann Moser ist mit diesem Gott aufgewachsen, er hat als Kind und Jugendlicher unter diesem Gott gelitten, er fühlt sich seelisch und geistlich vergiftet und versucht, sich zu befreien, indem er Gott für tot erklärt, um frei zu sein. Aber Tilmann Moser schreibt auch: „Freut euch, wenn euer Gott freundlich war.“ Gott sei Dank, gab es auch Eltern, und zwar nicht wenige, die ihre Kinder ohne Gottesvergiftung aufzogen und ihnen einen freundlichen Gott nahebrachten. Meine gehörten auch dazu. So ist der Satz „Gott sieht alles“ für mich einer der schönsten und beruhigensten Worte. Gott sieht alles, das heißt für mich, er weiß, was mir widerfährt. Er kennt meine Lebensumstände, weiß, was mich beschäftigt. Da muss mir nicht Angst sein. Und er sieht auch, dass ich trotzdem immer wieder Zweifel habe, unsicher bin und mir schwer tue mit dem, was mir so begegnet.

47 Jahre nach Tillmann Mosers Buch wurde für das Jahr 2023 diese Jahreslosung ausgewählt: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Endlich ist die Luft frei von Gift und wir erschrecken nicht, wenn uns Gott sieht, es tut uns vielmehr gut. „Du bist ein Gott, der mich sieht“, diesen Satz sagt Hagar im alten Testament. Es lohnt sich, diese Geschichte einmal zu lesen.
Gott sieht, wie Hagar gedemütigt wird. Und Gott berührt das, erzählt die Bibel.

Gott sieht die Trauer der Mutter, die ihr Kind bei einem Autounfall verloren hat. Gott sieht die Trauer des Mannes, dessen Frau an Krebs gestorben ist. Gott sieht den Obdachlosen, der unter einer Brücke friert. Gott sieht die junge ukrainische Frau, die um ihre Mutter weint, weil sie unter den Trümmern des Hauses liegt, das gerade von einer russischen Rakete in Schutt und Asche geschossen wurde. Gott sieht die Menschen, die unter Rassismus leiden, die Menschen, die gefoltert werden, die Kinder, die chronisch unterernährt sind. Gott sieht die, die sich im falschen Körper fühlen und die erst Befreieung fühlen, als sie sich trauen können, das in aller Öffentlichkeit eingestehen zu können. Ich bin froh, dass mein Kind das Vertrauen hatte, uns das mitzuteilen. Endlich war das Leiden vorbei.

Gott sieht uns. Gott sieht auch Dich in Deiner Not, Deiner Angst, mit all Deinen Sorgen. Gott sieht Deine Furcht: Werden unsere Kinder und Kindeskinder eine lebenswerte Zukunft haben? Und es berührt ihn.
Vor vielen Jahren hat sich ein Konfirmand foglenden Spruch ausgesucht: Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, / den du gehen sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten. Zur Begründung sagte mir die dreizehnjährige Person: wenn ich weglaufe von Gott, kann er mir ja mit den Augen folgen und mir den Weg zeigen. So allmählich…

Du, Gott, Du siehst mich – in diesem Sinn habts Zuversicht und bleibts gsund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.