Ich war dieses Jahr mal wieder an der Nordsee im Urlaub. Das ist nicht so mein Wunschziel, weil es mir zu kalt ist. Ich habe es gern warm, ja sogar richtig heiß, von daher ist der Süden mehr so mein Ziel. Dennoch übt gerade die Nordsee eine besondere Faszination auf mich auf. Ich glaube das liegt daran, dass die Nordsee anders ist als andere Meere. Ebbe und Flut bestimmen dort das Leben. Die Nordsee gibt mir das Gefühl, einer der wenigen Orte zu sein, an denen der Mensch sich der Natur demütig beugen muss. Die Gezeiten scheren sich nicht darum, ob wir gerade eine Wattwanderung machen wollen, mit dem Boot irgendwohin fahren wollen oder sonst irgendwas vorhaben. Die Gezeiten bestimmen, was wann geht.
Um sich orientieren zu können, gibt es einen Gezeitenkalender, in dem steht, wann Wasserhöchst und Niedrigstand sind. Und danach richten sich dann auch Abfahrtszeiten für die Wattkutschen oder die Zeiten für Wattwanderungen.
Ob das in unsere Planungen hinein passt, das fragen Ebbe und Flut nicht. Hier bestimmt die Natur noch den Lauf der Dinge.
Und ich finde das faszinierend. Wenn ich in Südfrankreich am Meer bin, geh ich hin und das Meer ist da. Will ich an der Nordsee baden, muss ich erst mal schauen, wann das Wasser überhaupt da ist und wann es evtl. wieder kommt. Denn auch das birgt Gefahren. Auch hier fragt das Meer nicht, ob ich noch nicht fertig bin mit baden oder mit wandern im Watt. Ich habe mich an der Natur zu orientieren.
Ich habe das schon als Kind gelernt und erinnere mich noch an die Fernsehserie Nesthäkchen. Da wird das Nesthäckchen Annemarie, das zu der Zeit auf Amrum lebt, eines Abends von der Flut überrascht, weil sie im Spiel im Watt zu weit hinaus gelaufen sind. Da geht es nochmal gut. Andere hatten weniger Glück und sind in der Flut umgekommen.
Sich die Erde untertan machen, wie es der Anfang der Bibel uns aufträgt, das haben wir an vielen Stellen getan. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger schlimmen Folgen: Wenn wir Flußläufe verändert haben, so dass die Flüsse keine Möglichkeit mehr haben, auszuweichen und das Land drum rum überschwemmen. Oder wie beim Eidersperrwerk, wenn Mensch und Natur in Einklang miteinander leben.
Und dann lese ich, dass die Stadt München Verbote von Klimaaktionen erlässt. Gleichzeitig kämpft sie wie viele andere Großstädte mit den Folgen menschlicher Rücksichtslosigkeit. Smog, Feinstaubbelastung, Lärmbelastung. Und ich frage mich, was muss noch alles passieren, damit wir zur Besinnung kommen? Aus der Flutkatastrophe im Ahrtal scheinen wir eher wenig gelernt zu haben. Natürlich gibt es in der Klimafrage keine einfachen Antworten, kaum schnelle Antworten. Und natürlich braucht es Kompromisse. Es wäre schon viel geholfen, wenn wir aufhören würde, existentielle Fragen für parteipolitischen Spielchen zu missbrauchen. Beim Klima und der Zukunft des Planeten geht es nicht um Rot, grün, schwarz oder gelb…da geht es nur um rot, um die Farbe des Blutes. Denn in unseren Adern fließt das gleiche Blut.
Peter Maffay singt es ganz richtig: Wir müssen uns beeilen, die Welt ist wunderbar. Da geht es nicht um rechts und links, da geht es nur darum, dass wir alle Menschen sind und leben wollen. Heute und auch in einer fernen Zukunft, die ich nicht mehr erleben werde, in der meine Kinder aber sehr wohl noch leben müssen.
An der Nordsee kann man die Majestät der Natur in der Weite des Meeres, im Wechselspiel von Ebbe und Flut auf der einen Seite und die Kompromisslosigkeit der Natur auf der anderen Seite erleben. Macht euch die Erde untertan heißt dort nur eines: richte dich nach der Natur, lebe mit ihr im Einklang, oder sie wird dein Untergang sein.
Für diese Woche wünsche ich euch habts Zuversicht und bleibts gsund. Nur diese Woche, für die kommende sorgen wir später.