Da war er mal wieder, der dümmste Satz, den man einem Menschen sagen kann: ich habe es dir ja gleich gesagt.
Eltern sagen das zu ihren Kindern, wenn sie Kinder nicht hören wollen, trotzdem versuchen, was man ihnen auszureden versucht und – natürlich – scheitern. Freuden sagen das ihren Freuden, Freundinnen ihren Freundinnen, z.B. wenn eine Beziehung scheitert, eine Ehe auseinander geht oder bei sonstigen Themen.
Und es mag ja sein, dass sie wirklich recht hatten, dass sie es gleich gesagt haben. Nur was soll mir so ein Satz sagen?
„Hör nächstes Mal gleich auf mich?“ und wie soll ich mir das vorstellen? Lebt dann jemand anderes mein Leben für mich, weil er ja alles besser weiß? Weil er schon vorher weiß, wie es ausgeht?
Ist es der missglückte Versuch, Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen? Ist es die eigene Versicherung, den richtigen Riecher gehabt zu haben? Sagt diejenige Person diesen Satz also mehr zu sich als zu mir?
Oder ist es einfach nur der Ausdruck von Häme? Ich weiß, das ist jetzt etwas böse, denn so etwas sollte man ja niemandem unterstellen.
Ich bleibe dabei, es gibt für mich keinen dümmeren Satz, den jemand zu mir sagen könnte als diesen und die Person disqualifiziert sich in meinen Augen damit von selbst. Denn was soll ich sie noch im Rat fragen? Warum sollte ich ihr noch etwas erzählen, wenn ich am Ende nächstes Mal doch wieder nur zu hören bekommen: Ich hab es dir ja gleich gesagt.
Vielleicht ist es auch – und das stellt mein Resilienzvermögen dann wirklich auf die Probe – die Unfähigkeit dieser Person, mit dieser Situation, meinem Leid umzugehen. Freuden wünschen Freunden ja i.d.R. nur Gutes, sonst wären es keine Freunde. Und natürlich kann ein Freund, eine Freundin nicht verhindern, wenn mir etwas schlechtes widerfährt. Damit muss man auch erst mal umgehen. Nur denke ich dann: Wenn du damit nicht umgehen kannst, dann sag es halt. Statt dass du mir noch einen Stein oben drauf packst auf das, was mir eh schon zu schaffen macht. Hör einfach zu und sei da.
Ich kann mir vorstellen, dass es Jesus ähnlich ging, als er in Gethsemane betete und seine Jünger schlafend vorfand. Waren sie einfach müde von den letzten Jahren? Hielten sie die Spannung nicht aus, die in der Luft liegen musste. Jesus hat seiner Traurigkeit in Worten Ausdruck verliehen, die Last, die auf ihm lag. »Ich zerbreche beinahe unter der Last, die ich zu tragen habe. Und er bittet sie: Bleibt hier und wacht mit mir!« Mehr verlangt er gar nicht von ihnen. Schließlich findet er sie schlafend vor. Aus seinen Worten spricht Enttäuschung, wenn er sagt: Konntet ihr denn nicht eine einzige Stunde mit mir wachen?
Mehr wollte er gar nicht. Einfach begleitet sein in seiner Angst. Mehr wollen unsere Freundinnen und Freunde oft auch nicht. Einfach begleitet sein. Reden, ohne, dass wir antworten. Doch diese Stille, in der das Leid meines Freundes ein ganz anderes Gewicht bekommt, muss ausgehalten werden. Wer das kann, der hilft Freundinnen und Freunden wirklich sehr. Das ist eine viel größere Leistung, als kluge Worte zu finden. Einfach miteinander schweigen, aushalten, Raum geben.
Was wäre das für eine Welt, wenn wir miteinander aushalten könnten, schweigen, weinen. Ohne gleich Stille durch kluge oder dumme Worte zu zerstören.
Für diese Woche wünsche ich euch habts Zuversiucht und bleibts gsund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.