Ich habe heute einen Spruch gelesen, der mich angesprochen hat. Je besser ein Mensch sich selbst fühlt und kennt, desto tiefer reicht auch das empfindsame Verständnis für andere.
Für mich ist das die Umkehrung des Nächstenliebegebotes von Jesus. Und es betont in dieser Umkehrung den Teil, den wir gerne übersehen…bei Jesus heißt es: du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Wie dich selbst…Das ist ein Gebot zur Selbstliebe. Liebe dich selbst. Nur wer sich selbst liebt, der kann andere lieben und der kann von anderen geliebt werden. Wie soll ich jemanden respektieren, ernst nehmen oder gar lieben, der sich selbst nicht respektiert, ernst nimmt oder gar liebt? Wie soll ich die Grenzen eines Menschen achten, der seine eigene Grenzen immer wieder überschreitet?
Sich selbst fühlen,. Ich finde das befreit ungemein. Wenn ich mich selbst fühle, dann bin ich nicht mehr darauf angewiesen, dass mich andere fühlen, dass ich fühle, dass andere mich fühlen.
Aus einem müssen wird ein wollen. Aus einem den anderen brauchen wird ein den anderen wollen. Aus einem den anderen festhalten, damit er bei mir bleibt, wird ein loslassen, das den anderen überhaupt erst dazu befähigt, bei mir bleiben zu wollen. Er muss es nicht mehr. Und schließlich: wer diese Freiheit geben kann, der wird diese Freiheit auch empfangen, dessen bin ich mir sicher.
Natürlich ist das riskant. Denn niemand verpflichtet mein Gegenüber, bei mir zu bleiben. Niemand verpflichtet jemand anderen, mich zu lieben. Und genau das ist die Voraussetzung dafür, dass ich geliebt werde, gesehen werde, gefühlt werde.
Und das widerum ist die Voraussetzung dafür, dass ich andere lieben kann, sehen kann und fühlen kann. Es beginnt bei mir.
Ich finde es so fatal, dass die Bibel oft umkehrt, was – und davon bin ich überzeugt, Jesus anders gemeint und vlt. Sogar gesagt hat. Denn in seinem Doppelgebot der Liebe setzt er die Selbstliebe voraus. Der Satz „wie dich selbst“ setzt voraus, dass du dich liebst. Denn sonst ergibt Jesu Satz schlicht keinen Sinn. Wir haben uns früher einen Spaß daraus gemacht, der die ganze Unsinnigkeit dieses Satzes ohne diese Voraussetzung zeigt. Wir haben gefragt: und was ist, wenn ich mich selbst hasse, brauche ich dann andere nicht lieben? Im Prinzip ist diese Denkweise mehr richtig. Jesu Doppelgebot ist nur von hinten richtig zu verstehen. Erst wenn ich mich selbst liebe kann ich andere lieben wie mich selbst.
Erst wenn ich mich selbst fühle, kann ich andere fühlen. Erst wenn ich auf mich selbst schaue, kann ich andere sehen. Ich muss also zwingend bei mir selbst anfangen. Das macht es so herausfordernd. Denn das hat man uns als egoistisch, selbstsüchtig, selbstzentriert beigebracht und versucht auszutreiben. Erst kommen die anderen. Wir sollen Gott lieben wir sollen den Nächsten lieben. Und immer wieder haben wir vergessen, dass es da heißt: wie dich selbst. Die Liebe zu uns selbst steht an erster Stelle. Und dann wird ein Schuh draus. Denn in der griechischen Sage ist es Narziss, der selbstverliebt ist. Und der den Blick für den anderen eben nicht findet. Naziss verliebt sich in sein eigenes Spiegelbild und stirbt einen einsamen Tod. Weil er eben nicht dazu in der Lage war, diese Selbstliebe in die Liebe zum Nächsten umzusetzen. Jesus wendet den Blick erst zu uns selbst und aus dieser Energie der Selbstliebe heraus zum Nächsten.
Ich finde, dass das die Quelle und der Ursprung jeder Gemeinschaft ist. Ob als Paar, als Familie, als Gemeinde. Nur wer sich selbst liebt, wird auch andere lieben können. Je besser ein Mensch sich selbst fühlt und kennt, desto tiefer reicht auch das empfindsame Verständnis für andere. Der Grund für Streitereien ist also der Mangel an Gefühl für ich selbst, an Kenntnis seiner selbst und Selbstliebe. Nutzt doch die kommende Adventswoche, um darüber einmal nachzudenken. Wie ist es damit bei euch bestellt? Liebt ihr euch? Kennt ihr euch? Fühlt ihr euch?
Für diese Woche wünsche ich euch: habt’s Zuversicht und bleibt gesund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.