Freiheit, das heißt vor nichts und niemandem Angst zu haben…das sind Wort von Konstantin Wecker. Der Philosoph Satre war der Meinung, dass Angst immer zur Freiheit gehört. Ich möchte ihm widersprechen. Denn Angst ist mir zu viel. Unsicherheit, ja die gehört zur Freiheit dazu, denn es gibt in der Freiheit kein wirkliches Geländer, an dem ich mich entlanghangeln kann. Wie beim Verliebtsein. Da gibt es nur ganz oder gar nicht. Ein bisschen verliebt, das geht nicht wirklich. Mit angezogener Handbremse schützt man sich zwar selbst, doch das nimmt dem Verliebt sein die Dynamik, die es braucht. Natürlich ist da viel Angst dabei, doch sie spielt keine Rolle, weil es im Vergleich zu dem, was man gewinnen könnte, nichts zu verlieren gibt.
In manchen Organisationen werden steuernde Geländer in Form von Regeln vorgegeben. Da sind die mal enger und mal weiter. Bei den 68ern war die Furchtlosigkeit Programm. Da gab es keine Geländer. Und das ohne Rücksicht auf Verluste. Rudi Dutschke hat das das Leben gekostet. Die 68er waren für mich das, was Menschen heute gerne anderen vorwerfen, wenn sie ihre Freiheit einfordern: grenzenlos. Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Grenzenlosigkeit und Freiheit. Wahr Freiheit kennt auch ihre Grenzen. Sie ist alles andere als grenzenlos. Nur, wahre Freiheit definiert sich nicht von diesen Grenzen her, sie definiert sich von der Freiheit her.
Und das ist etwas, was mit in den letzten Jahren vermehrt auf die Nerven gegangen ist. Wenn während Corona Menschen Freiheit eingefordert haben, wurde ihnen immer entgegen gehalten, dass die eigene Freiheit dort endet, wo die Freiheit anderer beginnt. Das mag schon sein, doch für mich zeigt sich darin Unsicherheit im Umgang mit Freiheit. Wie sehr darf ich Freiheit fühlen? Wo stoße ich an die Grenzen des erträglichen, weil meine Freiheit eingeschränkt wird? Und wer schränkt meine Freiheit ein?
Ich meine: nur ich schränke meine Freiheit ein. Und wenn ich das tue, dann ist es auch Freiheit. Wenn ich dazu nicht bereit bin, dann ist es Grenzenlosigkeit. Und damit schadet es mehr als dass sie nützt. Ja, Freiheit kennt Grenzen. Doch wo die sind, das bestimme i.d.R. ich.
Die 68er haben Freiheit als allgemeingesellschaftliches Ziel begriffen, weniger als individuelles. Das ist eine Bewegung der Öffnung, nicht der Schließung. Und sie ist sondern sehr notwendig mit sozialistischen, antikapitalistischen Ideen verknüpft. Es ging darum, die Bewegung der Befreiung in einen Zustand zu überführen, in dem Freiheit wirklich heißt, keine Angst haben zu müssen – weil es keine Herrschaft gibt und alles allen gehört.
Natürlich ist das utopisch. Doch verliebt sein ist auch utopisch, euphorisch. Und diese dann in einen Zustand der Liebe zu überführen und sich Euphorie zu bewahren, das ist die wahrhaft schwierige Aufgabe. Mit der Freiheit ist es genauso. Es beginnt mit der Euphorie. Es beginnt mit der Grenzenlosigkeit. Und es endet in der Freiheit. Wer nicht den Mut hat, grenzenlos zu sein, der wird nie wahrhaft frei sein. Und da bin ich wieder bei der Angst. Angst hemmt und verhindert am Ende die Freiheit. Insofern heißt Freiheit sehr wohl vor nichts und niemandem Angst zu haben. Den 68er hat der letzte Schritt gefehlt, die Grenzenlosigkeit in Freiheit zu überführen. Daran sind sie letztlich gescheitert und haben doch viel Dynamik gehabt. Diese Dynamik, die zur wahren Freiheit führen kann, den Mut dazu, den wünsche ich euch für die kommenden Wochen. Wir werden uns hier am 31. August wieder sehen. Bis dahin bleibts gsund und passt auf euch auf. Und denkts dran: es genügt, das hier und heute zu leben. Für alles Weitere sorgen wir später.