Alles wieder gut? Mit diesen Worten haben wir früher als Kinder einander gefragt, wenn wir Streit hatten und uns wieder versöhnen wollten. Alles wieder gut? Das ist das Motto der diesjährigen Kampagne zum heutigen Buß und Bettag.
Als Kinder ging das einfach. Als Gesellschaft werden wir es da wohl viel schwerer haben. Jens Spahn hat vor einem guten dreiviertel Jahr gesagt: Wir werden einander vergeben müssen. Doch Vergebung muss erbeten werden, sie kann nicht eingefordert werden.
Alles wieder gut? So einfach werden wir nicht wieder zueinander finden. In den letzten 1,5 Jahren haben wir gesellschaftlich viel Porzellan zerschmissen. Und speziell in den letzten Monaten ist vieles für mich sehr fragwürdig geworden. Ich bin nachdenklich geworden. Wir fallen fast übereinander her in der Frage, ob es gut ist, sich impfen zu lassen. Diese Frage will ich hier ganz ausdrücklich offen lassen, denn ich bin der festen Überzeugung, dass diese Frage jeder für sich selbst beantworten muss. Was mir Sorgen macht ist die Tatsache, dass der Respekt voreinander komplett flöten gegangen ist. Ich kann die Meinung anderer Menschen scheiße finden. Doch Anstand uns Respekt gebieten es, dass wir Meinung und Person voneinander trennen. Das gelingt immer weniger. Ich habe in der Schule gelernt, dass eine Diskussion mit Argument und Gegenargument geführt wird. Hart in der Sache, meistens sachlich und nie persönlich werdend.
Dabei darf es auch mal emotional zugehen. In Kirchenvorständen und Stadträten darf und muss gestritten werden. Doch wo große Persönlichkeiten und Charaktere miteinander streiten, da heißt es mit Ende der Sitzung: alles wieder gut? Man kann auseinander gehen mit dem sicheren Bewusstsein: wir haben in der Sache gestritten und das Beste für unsere Seite herauszuholen versucht. Doch deshalb sind die anderen immer noch unsere Kolleg*innen. Dieses Bewusstsein scheint immer mehr verloren zu gehen.
Ich bin ein angstfreier Mensch. Ich kann von mir behaupten, dass mit kaum etwas wirklich Angst macht. Doch es macht mir Sorge, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt hat. Und das wird uns – da bin ich mir sicher – noch lange nach Ende der Pandemie beschäftigen und herausfordern. Mit einem kindlichen „alles wieder gut“ wird es nicht getan sein. Nicht dort, wo Familien sich entzweit haben, wo Freundschaften aufgekündigt wurden. Viel wichtiger als die Frage: lasse ich mich impfen oder nicht ist mir dabei die Frage: wie können wir beieinander bleiben, obwohl wir hier uneins sind? Diese Frage werden wir beantworten müssen, wenn wir als Gesellschaft eine Chance haben wollen. Ein „zurück zum Gewohnten“ wird es nicht geben in dieser Frage. Ein „alles wieder gut“ wird nicht einfach ungeschehen machen, was wir verbockt haben.
Ich bete besonders heute, dass Gott mit uns sein möge. Er interessiert sich für uns in unseren Sorgen und auch in unseren Ängsten. Er fragt: wie geht es dir? Und er will eine ehrliche Antwort, denn er kann damit umgehen.
Alles wieder gut? Erstmal ist nichts gut. Gott sei Dank wird es eines Tages alles gut sein. Bei Gott.
Für diese Woche wünsche ich euch: habts Zuversicht und bleibts gsund. Nur diese Woche. Für die kommende sorgen wir später.